Suchertechnologien: SLR-Prinzip, optischer Sucher und elektronische Alternativen

Der potenzielle Kamerakäufer hat die Qual der Wahl, denn unzählige Kamerakonzepte wetteifern um seine Gunst. Ob Kompaktkamera, Messsuchermodell, Bridgekamera, Spiegelreflex-, EVIL- oder Systemkamera: Auf den ersten Blick scheint es nur schwer möglich, etwas Ordnung in das fröhlich wuchernde Angebot an Kameramodellen zu bringen.

Wenn man genauer hinsieht, erkennt man jedoch schnell, das es eigentlich recht wenige Konstruktionsprinzipien für Kameras gibt. Eine gute Möglichkeit ist die Aufteilung anhand der zugrunde liegenden Suchertechnologien. Die ideale Lösung gibt es nicht, jedes System hat seine Vor- und Nachteile. Entscheidend ist vielmehr, für welchen Einsatzzweck die Kamera gedacht ist. In den folgenden Abschnitten erhalten Sie detaillierte Informationen zu den jeweiligen Systemen.

Integrierter Optischer TTL-Sucher in Spiegelreflexkameras

Herzstück einer Spiegelreflexkamera ist der optische TTL-Sucher. Der Fotograf sieht über ein kompliziertes System aus Umlenkspiegel, Mattscheibe und Pentaprisma direkt durch das Objektiv. Der Umlenkspiegel lenkt das Licht durch die Mattscheibe zum Pentaprisma, wo schließlich das Bild seitenrichtig dargestellt wird und über das Okular betrachtet werden kann. Die hohe Übereinstimmung zwischen dem, was der Fotograf im SLR-Sucher sieht, und dem, was nachher als Bildinformation auf der Sensoroberfläche beziehungsweise dem Film landet, qualifiziert Spiegelreflexkameras auch für schwierige fotografischen Aufgabenstellungen.

Olympus E3

Durch das TTL-Prinzip (TTL = Through-the-lens) sieht der Fotograf immer direkt durch das verwendete Objektiv hindurch. Auch bei Zoomobjektiven verstellt sich das Sucherbild automatisch beim Dreh am Zoomring. Außerdem kann man über die Mattscheibe das Objektiv manuell fokussieren, man sieht im Sucher ob das Bild richtig fokussiert ist oder nicht. Als SLR-Fotograf hat man also schon vor der Aufnahme eine weitgehende Kontrolle über das spätere Bildergebnis.

Allerdings ist zu beachten, dass die meisten Spiegelreflexkameras nicht 100% des späteren Bildes auch im Sucher anzeigen können, sie haben ein kleineres Sichtfeld. Bei einer Sucheranzeige geringer als 100% ist das aufgenommene Bild immer etwas größer als das Bild, das man bei der Aufnahme im Sucher gesehen hat. Das Sucherbild schneidet einen schmalen Rand vom Bild ab und zeigt nur eine etwas kleinere Vorschau. Ein weitere wichtiger Faktor für die Benutzerfreundlichkeit eines Suchers ist der Vergrößerungsfaktor. Idealerweise zeigt der Sucher das Sichtfeld etwas größer an als es in der Realität ist.

Sucher-Sichtfeld

Die obige Abbildung zeigt links das Bild, das der Fotograf im Sucher der digitalen Spiegelreflexkamera sieht. Im rechten Bildteil sieht man das tatsächlich von der Kamera aufgenommene Bild. Der Bildausschnitt ist etwas größer als das Sucherbild. Der weiße Rahmen im rechten Bild symbolisiert das kleinere Sucherbild, das der Fotograf beim Aufnehmen des Fotos gesehen hat.

Hersteller Modell Gewicht Sichtfeld Vergrößerungsfaktor Bemerkung
Olympus E-3 900 g 100% 1,15-fach Profi-Spiegelreflexkamera
Olympus E-30 733 g 98% 1,02-fach Mittelklasse-Spiegelreflexkamera
Olympus E-450 452 g 95% 0,92-fach Kompkate Einsteiger-DSLR

Wie die obige Tabelle zeigt, sind Sucher mit 100% Sichtfeld in der Regel großen und entsprechend schweren Profikameras vorbehalten. Auch der für eine gute Benutzerergonomie wichtige hohe Vergrößerungsfaktor ist eher den teureren Modellen vorbehalten.

Das Einsatzgebiet von SLR-Kameras erstreckt sich - entsprechende Objektive vorausgesetzt - von der Makrofotografie bis zu Supertele-Aufnahmen. In aller Regel sind bei SLR-Systemen Kameragehäuse und Objektiv getrennt. Allerdings ist zu beachten, dass man nicht jedes Objektiv an jede Kamera setzen kann, denn einen offenen Standard gibt es bei den Objektivanschlüssen nicht. Zu früheren Zeiten war das anders, so erfreuten sich lange Zeit die herstellerübergreifenden Schraubgewinde M39, M40, M42 und T2 großer Beliebtheit. Das Einschrauben der Objektive in das Kameragehäuse war jedoch zum einen unkomfortabel, zum anderen hielt dieses Konstruktionsprinzip nicht mit der zunehmenden Automatisierung der Kameragehäuse Schritt.

Objektivbajonette waren der Nachfolger der Schraubgewinde, mit nur einem kurzen Dreh sitzt das Objektiv damit fest und in einer definierten Position am Kameragehäuse. Das ermöglicht die Übertragung vielfältiger Steuerungsoptionen zwischen Kamera und Objektiv auf mechanischem oder elektronischem Wege. Allerdings sieht es mit der herstellerübergreifenden Kompatibilität bei Objektiven mit Wechselbajonett eher düster aus. Alle großen Hersteller kochen ihr eigenes Süppchen und vermarkten eigene Bajonette. Die Hersteller Nikon (F-Bajonett), Canon (EF-Bajonett), Sony (Minolta A-Bajonett) und Pentax (K-Bajonett) haben alle ihre eigenen Systeme. Kleinere Hersteller wie Leica, Panasonic und Olympus haben sich immerhin mit dem Four-Thirds Bajonett auf einen gemeinsame Standard geeinigt. Das gleiche Bajonett kommt im übrigen auch bei Micro-Four Thirds Kameras zum Einsatz.

Man entscheidet sich also mit dem Kauf eines SLR-Kameragehäuses immer auch für ein bestimmtes, in der Regel proprietäres Kamerasystem. Wechselobjektive sind jedoch kein Alleinstellungsmerkmal von SLR-Kameras, es gibt auch Sucher- und sogenannte Systemkameras bei denen man ebenfalls die Objektive wechseln kann. Sobald man speziellere Objektivwünsche hat und beispielsweise ein Fisheye, ein Makroobjektiv oder ein Superteleobjektiv braucht, gibt es aber keine praxisgerechten Alternativen zu SLR-Kameras.

Nikon D700 Bajonett Canon EF-Bajonett

So überzeugend ein optischer Sucher und natürlich auch die praktisch unbegrenzte Erweiterung mit Wechselobjektiven auch sind, der Fotograf muss bei einer SLR-Kamera auch einige je nach Einsatzzweck durchaus gravierende Nachteile in Kauf nehmen. Der optische Sucher einer SLR ist eine im allgemeinen recht klobige Konstruktion, insbesondere die hellen und großen Sucher der Profimodelle haben natürlich nicht nur ein entsprechendes Volumen sondern auch ein hohes Gewicht. Es gibt zwar auch sehr kompakte SLR-Konstruktion wie die Olympus E-450 (Gehäuse ohne Objektiv nur 452 Gramm), aber entsprechende Sucherkameras sind natürlich noch kleiner. Die aufwendige SLR-Konstruktion aus Pentaprisma, Mattscheibe und Umlenkspiegel ist aufwändig in der Herstellung, weswegen SLR-Kameras generell eher zu den teureren Kameras zählen.

Schnittbild einer Spiegelreflexkamera

Abgesehen von solch schnöden wirtschaftlichen Überlegungen sorgt auch der Spiegelschlag der Spiegelreflexkamera für Verdruss. Beim Betätigen des Auslösers klappt erst einmal der Schwingspiegel nach oben, erst dann öffnet sich der Verschluss und gibt den Bildsensor frei. In diesem Zeitraum ist das Sucherbild stockdunkel, der Fotograf sieht erst wieder etwas, wenn nach erfolgter Belichtung der Schwingspiegel wieder herunterklappt. Dieser Vorgang ist mit einer entsprechenden Geräuschkulisse verbunden, unbemerktes Fotografieren ist damit praktisch nicht möglich.

Bei Serienaufnahmen bewegter Objekte erschwert das ständige Hoch- und Runterklappen des Spiegels dem Fotografen auch die Verfolgung seines Motivs. Außerdem bringen die bewegten Massen beim Spiegelschlag immer eine gewisse Unruhe in das Kameragehäuse, was die Wahrscheinlichkeit einer Verwacklung bei längeren Verschlusszeiten erhöht. Mit einer vergleichbaren Sucherkamera ohne Spiegelschlag sind daher immer längere Verschlusszeiten freihand möglich als mit der SLR. Die Spiegelvorauslösung, die heute zumindest ab der Mittelklasse die meisten SLR-Kameras haben, minimiert die Gefahr von Verwacklern bei Stativaufnahmen. Dabei wird zuerst der Spiegel nach oben geklappt und der Verschluss erst einige Zeit später ausgelöst, nämlich dann, wenn das Kameragehäuse nicht mehr durch den Spiegelschlag vibriert.

SLR Spiegel herunter geklappt SLR Spiegel hoch geklappt

Alles in allem sind echte Spiegelreflexkameras in der Summe ihrer Eigenschaften und trotz gewisser systembedingter Einschränkungen bei professionellen Kameras nach wie vor die erste Wahl. Das gilt sowohl für die analoge als auch für die digitale Fotografie.

Bridgekamera Fujifilm S100FS

Bridgekameras gelten als Zwittermodelle, die die Eigenschaften von Spiegelreflexkameras und Kompaktkameras vereinen, und sehen auf den ersten Blick aus wie geschrumpfte SLR-Modelle. Im Unterschied zu ihnen verfügen Bridgekameras über ein fest eingebautes Objektiv. Neuere digitale Bridgekameras setzen in der Regel aber keine aufwendigen SLR-Sucher mehr ein, sondern verwenden stattdessen einen kompakten elektronischen Sucher. Insofern sind sie technisch eher den Sucherkameras als den Spiegelreflexkameras zuzuordnen.

Es kommt bei Bridgekameras aber immer auf das jeweilige Modell an, eine pauschale Aussage lässt sich nicht treffen. Einige wenige Bridgekameras verfügen tatsächlich über einen "echten" optischen SLR-Sucher, bei den meisten Modellen ist das aber nicht der Fall. Sie sind lediglich mit einem großen Objektiv ausgestattete Sucherkameras.

Vorteile Nachteile
Kamerasystem nahezu unbegrenzt erweiterbar relativ schwer
Sichtfeld des Fotografen entspricht Objektivperspektive teuer durch aufwändige Konstruktion
Sucher passt sich Zoomobjektiven stufenlos an Geräusch durch Spiegelschlag
präzise Fokussierung im Sucher möglich SLR-Objektive sind schwer und groß
  hohe Verwacklungsgefahr
  keine Vorschau auf Weißabgleich, Belichtung und Histogramm

Die nahezu unbegrenzte Erweiterbarkeit von Kamerasystemen ist erst durch den Spiegelreflexsucher gewährleistet. Diesen Vorteil erkauft sich der Fotograf mit einer Reihe von Nachteilen wie einem höheren Gewicht und einer insgesamt komplizierteren Konstruktion. Für ambitionierte Fotografen ist eine SLR die erste Wahl, für den normalen Anwender sind diese Kameras aber zu schwer und zu voluminös.

Optischer Sucher in Kompaktkameras und Messsucherkameras

Die erste Kleinbildkamera überhaupt, die Ur-Leica, war eine einfache Sucherkamera. Sie bestand im Wesentlichen aus einem Gehäuse mit Verschluss, einem abblendbaren Objektiv und eben dem separaten Sucher. Im Grunde war dieser Sucher nicht viel mehr als ein simples Guckloch mit Linse, mit dem man in etwa abschätzen konnte, welches Bildfeld das Objektiv abdeckte.

Ur-Leica

Diese bestechend einfache Sucherkonstruktion hat sich im Grunde bis in die heutige Zeit erhalten, auch wenn moderne Sucherkameras den Sucher meist im Gehäuse integriert haben. Ob Aufklapp-, Aufsteck- oder integrierte Bauweise: Allen optischen Suchern ist gemein, dass es sich hier um eine vom Objektiv getrennte optische Konstruktion handelt. Überspitzt gesagt guckt die Kamera durch die eine Linse, der Fotograf durch eine andere. Dieser Sachverhalt ist im nachfolgenden Bild visualisiert: In der linken Bildhälfte wird gezeigt, dass das Objektiv und der Sucher zwei unterschiedliche optische Einheiten sind, die von unterschiedlichen Positionen aus auf das Motiv blicken. In der rechten Bildhälfte ist die Rückseite einer modernen Digitalkamera zu sehen; hier blickt das Auge oben durch den Sucher, während das LCD-Display das Bild anzeigt, welches durch das Objektiv auf den Sensor einfällt.

Funktionsweise einer Sucherkamera

Bei normalen Abbildungsmaßstäben stimmen Sucherbild und vom Objektiv aufgenommenes Bild recht gut überein; bei der Fotografie im Nahbereich gibt es jedoch Probleme durch die Parallaxenverschiebung. Da Sucher und Objektiv unterschiedliche optischen Achsen haben, gibt es speziell im Nahbereich eine starke Abweichung zwischen Sucher und tatsächlichem Bild. Dies lässt sich zwar korrigieren, aber eben nur in einem gewissen Rahmen. Makrofotografie mit Sucherkameras ist zwar möglich, und es gibt sogar spezielle Balgen dafür, aber im direkten Vergleich mit einer vollwertigen Spiegelreflexkamera-Lösung ist Nahfotografie mit Sucherkameras nur eine Notlösung. Ausführliche Informationen über dieses Thema gibts auf unserer Seite über Makrofotografie.

Die nachfolgende Abbildung zeigt, wie ein Parallaxenfehler zustande kommt. Während man beim Blick durch den Sucher nur die Blüte der Tulpe sieht fotografiert das Objektiv die ganze Tulpe inklusive Stil und Blättern. Das Objektiv sieht die Blume aus einem ganz anderen Blickwinkel als der Sucher. Man kann sich leicht vorstellen, dass die dadurch auftretende Parallaxenverschiebung umso kleiner wird je weiter sich die Tulpe bzw. das Motiv von der Kamera entfernt befindet.

Parallaxenverschiebung

Dennoch haben Sucherkameras unbestreitbare Vorteile. Dank der vergleichsweise simplen Konstruktion sind sie recht klein und leicht, insbesondere im Vergleich zu Spiegelreflexkameras. Einen Spiegelschlag gibt es bei Sucherkameras nicht, was die Freihandfotografie mit vergleichsweise langen Verschlusszeiten ermöglicht. Auch ist das Auslösegeräusch - einen entsprechend leisen Verschluss vorausgesetzt - sehr dezent, denn es gibt ja keinen Spiegelschlag wie bei der SLR.

Das Sucherprinzip hat neben der oben schon beschriebenen Parallaxenverschiebung im Nahbereich aber auch eine Reihe von Nachteilen, die letztendlich dazu geführt haben, dass die Sucherkamera im herkömmlichen Sinn vom Markt immer mehr verschwindet. Der Sucher erlaubt - zumindest bei der überwiegenden Mehrzahl der Kameras - keine Fokuskontrolle. Eine Ausnahme stellen lediglich Messsucherkameras wie beispielsweise die bekannte und sündhaft teure M-Reihe von Leica dar. Messsucherkameras verfügen im Sucher über eine Einstellhilfe zum Fokussieren. Es gibt zwei Methoden, die Mischbildmethode und die Schnittbildmethode.

Die Mischbildmethode, auch als Doppelbildmethode bezeichnet, arbeitet mit Doppelbildern. Ist das Motiv nicht korrekt fokussiert, hat man zwei sich überlappende Bilder im Sucher. Bei korrekter Fokussierung überlagern sich diese bis man nur noch ein Bild zu sehen scheint. Die Funktionsweise der Mischbildmethode mit den Doppelbildern ist im nachfolgenden Bild veranschaulicht. In der linken Bildhälfte stimmt der Fokus nicht ganz, so dass im Messfeld zwei sich überlagernde Bilder erscheinen; dadurch wirkt das Bild im Messfeld auch unscharf. Stimmt hingegen der Fokus (rechte Bildhälfte), dann erscheint im Messfeld nur noch ein einziges, scharfes Bild.

Mischbildindikator Funktionsweise

Für die Schnittbildmethode braucht man hingegen eine klar definierte senkrechte Linie. Solange der Fokus nicht richtig sitzt wird die Linie unterbrochen dargestellt. Nur bei korrektem Fokus ist die Linie als Ganzes zu sehen. Dieser Sachverhalt ist im nachfolgenden Bild dargestellt: Bei nicht korrekt eingestelltem Fokus verläuft die senkrechte Linie im Messfeld versetzt (linker Bildteil); durch manuelle Scharfstellung gleicht man diesen Linienversatz aus, bis man eine durchgezogene senkrechte Linie erhält (rechter Bildteil).

Schnittbildindikator Funktionsweise

Der Messsucher deckt nur einen kleinen Teil des optischen Suchers ab. Er ist meist - vergleichbar mit dem zentralen Autofokussensor alter SLR-Kameras - in der Suchermitte angeordnet. Wenn man auf ein Motiv außerhalb der Bildmitte scharfstellen möchte muss man dafür die Kamera verschwenken. Der optische Sucher moderner SLR-Kameras ist vielseitiger, denn hier zeigt die Mattscheibe Unschärfen über das gesamte Sucherbild an. Man kann bei der SLR also auch auf Motive außerhalb der Bildmitte fokussieren ohne die Kamera dafür verschwenken zu müssen.

Mit dem Aufkommen der Autofokuskameras hat die Bedeutung von Messsucherkameras stark abgenommen. Obwohl Leica die M-Reihe mit sehr hochwertigen Wechselobjektiven und umfangreichem Zubehör - unter anderem sogar Balgen für Makrofotos - für professionelle Bedürfnisse und als Alternative zu SLR-Systemen ausgelegt hat, müssen Sucherkameras systembedingt mit einer Reihe von Einschränkungen leben.

Messsucher Brennweiten

Das Hauptproblem der Sucherkameras bleibt trotz aller technischen Finessen bestehen: Sucherbild und das vom Objektiv aufgezeichnete Bild stimmen je nach Aufnahmesituation nicht zwangsläufig überein. Die gängigen Brennweiten blenden die M-Leicas durch die Einspiegelung entsprechender Leuchtrahmen im Sucher ein. Bei der Fotografie mit längeren Brennweiten kann man nur einen Teil des Suchers nutzen, echte Telefotografie ist damit aber praktisch nicht möglich. Andere Fabrikate als die M-Leica haben teilweise auch verstellbare optische Sucher, die sich der Brennweitenveränderung beim Zoomen anpassen; grundsätzliche Probleme wie die Parallaxenverschiebung bleiben davon natürlich unberührt. Für die Sucheranzeige bei exotischen Brennweiten gibt es separate Aufstecksucher. Auch das ist zwar eine praktikable, aber alles andere als elegante Lösung. Trotz technischer Klimmzüge ist die Erweiterbarkeit einer Messsucherkamera nicht mit den Möglichkeiten zu vergleichen, die ein modernes SLR-System bietet. Lange Brennweiten sind bei Sucherkameras kaum vernünftig einzusetzen. Die längste Brennweite im Leica M-System ist gerade einmal 135 mm, was nach heutigen Maßstäben eher dürftig ist.

Beim manuellen Fokussieren wird der grundsätzliche Unterschied zwischen Meßsuchertechnik und einer Spiegelreflexkamera deutlich. Die Mikroprismen-Mattscheibe einer modernen Spiegelreflexkamera dient auf ganzer Fläche als Fokussierhilfe. Egal wo sich das bildwichtige Motivteil befindet, der Fotograf kann die Schärfe im Sucher kontrollieren und gegebenenfalls nachjustieren ohne die Kamera bewegen zu müssen. Wenn der Fokus nicht stimmt, erscheint das ganze Sucherbild unscharf. Die Meßsucherkamera erlaubt hingegen die Schärfenkontrolle nur im Bereich des entsprechenden Meßfeldes, welches in aller Regel in der Bildmitte angeordnet ist. Der restliche Sucher erscheint - unabhängig von der Fokuseinstellung immer komplett scharf. Befindet sich das Motiv also außerhalb des Meßfeldes, ist eine Schärfenkontrolle nicht möglich. Man muss die Kamera verschwenken um die Schärfe kontrollieren und gegebenenfalls nachjustieren zu können.

SLR Fokusfeld Messsucher Fokusfeld

Die obigen beiden Doppelbilder demonstrieren deutlich den Unterschied bei der Fokusierung mit Spiegelreflexkameratechnik und Messsuchertechnik. Die obere Bildhälfte zeigt im Falle einer Spiegelreflexkamera, das bei falsch eingestellter Scharfstellung das ganze Bild unscharf wird, während bei korrekter Fokussierung das komplette Bild scharf erscheint. Die untere Bildhälfte zeigt im Falle einer Messsucherkamera, dass bei fehlerhafter Fokussierung nur im innersten Messfeld ein Linienversatz (siehe oben unter Schnittbildmethode) erkennbar ist, während das übrige Bild scharf erscheint.

Die meisten digitalen Kompaktkameras verzichten aufgrund der vielfältigen Einschränkungen inzwischen komplett auf einen optischen Sucher und setzen ausschließlich auf die Bildvorschau des Kamera per Display. Bei analogen Kompaktkameras, die zugegebenermaßen nur noch in geringen Stückzahlen gebaut werden, ist ein optischer Sucher nach wie vor unverzichtbar. Weil das aufwändige Messsucherprinzip die wesentlichen Einschränkungen des optischen Suchers teilt, ist es aber nicht für den Massenmarkt interessant. Sowohl analoge als auch digitale Messsucherkameras sind aber nach wie vor bei Liebhabern dieser Technik gefragt.

Vorteile Nachteile
leicht Sucher und Objektiv sind zwei getrennte Einheiten
Wechselobjektive für Sucherkameras relativ klein und leicht Sichtfeld des Fotografen entspricht nicht der Objektivperspektive
kein Geräusch durch Spiegelschlag Parallaxenverschiebung
geringe Verwacklungsgefahr Fokussierung im Sucher nur über zusätzliche Fokussierhilfen möglich
kompakte Bauweise von Kameragehäusen möglich beschränkte Erweiterbarkeit auch bei Systemkameras
  exotische Brennweiten erfordern Aufstecksucher
  keine Vorschau auf Weißabgleich, Belichtung und Histogramm

Die schlechte Bildkontrolle im optischen Sucher führt dazu, dass diese Kameras im professionellen Einsatz inzwischen kaum noch eine Rolle spielen. Normale Anwender nehmen diese Funktionseinbußen hin, da ihnen vor allem wichtig ist, dass die Kamera klein und leicht ist. Im Massenmarkt war der optischen Sucher jahrzehntelang führend, inzwischen hat ihm der elektronische Sucher weitgehend den Rang abgelaufen.

Canon PowerShot G11

Das obige Bild zeigt die ziemlich teuere Digitalkamera Canon Powershot G11. Diese hat außer der Bildvorschau über das Kameradisplay einen optischen Sucher. Dieser ist allerdings - wie bei Kompaktkameras üblich - ein winziges Guckloch von eher mäßiger Qualität. Immerhin hat der Fotograf die Möglichkeit mittels optischem Sucher zu fotografieren; dies ist insbesondere dann hilfreich, wenn von hinten einfallendes Sonnenlicht das Bild auf dem LCD-Display kaum noch erkennen lässt. Günstige digitale Kompaktkameras verzichten inzwischen in aller Regel auf einen optischen Sucher; man hat dann nur noch das LCD-Display zur Bildvorschau.

Elektronischer Sucher in Digitalkameras

Ein guter optischer Sucher, der idealerweise auch noch zoomfähig ist, ist recht aufwändig in der Herstellung und braucht auch im Kameragehäuse seinen Platz. Als digitale Kompaktkameras den Massenmarkt eroberten und eine Miniaturisierung ermöglichten, die mit analogen Kameras nicht zu erreichen war, suchte man daher nach einer alternativen Suchervorschau und fand diese im elektronischen Sucher.

Per Live-View - auch Live Preview genannt - greift die Kamera das Signal des Bildsensors noch vor der Aufnahme ab, dieses steht dann für den elektronischen Sucher zur Verfügung. Den elektronischen Sucher gibt es in zwei Varianten. Die erste Variante haben praktisch alle digitalen Kompaktkameras, nämlich die Bildvorschau auf dem Kameradisplay an der Gehäuserückseite. Die zweite Variante ist die Integration der Bildvorschau in einem elektronischen Okularsucher. Dieser kann entweder im Kameragehäuse integriert sein, oder als separates Bauteil zum Aufstecken umgesetzt sein.

Ob Bildvorschau auf dem Kameradisplay oder per elektronischem Okularsucher: In beiden Fällen handelt es sich um elektronische Sucher, also um Vorschaubilder auf einem Monitor! Funktional bestehen keine wesentlichen Unterschiede. Man schaut halt nur in einem Fall über ein Okular auf einen kleinen Monitor (elektronischer Okularsucher) und im anderen Fall ohne Okular direkt auf einen großen Monitor (Bildvorschau per Display an der Gehäuserückseite).

Elektronischer Sucher

Während digitale Kompaktkameras meist komplett auf elektronische Sucher setzen fahren hochwertige digitale Spiegelreflexmodelle in der Regel zweigleisig. Neben einem klassischen optischen SLR-Sucher gibt es einen zweiten elektronischen Sucher, der das Bild auf dem Kameradisplay ausgibt. Allerdings ist zu beachten, dass man bei SLR-Kameras den optischen und den elektronischen Sucher nicht parallel nutzen kann, sondern man muss zwischen diesen Betriebsarten umschalten.

Grund: Der optische SLR-Sucher bekommt das Licht über den Umlenkspiegel vor dem Bildsensor zugeleitet. Um in den Live-View Modus und damit also zum elektronischen Sucher umzuschalten muss der Umlenkspiegel hochklappen und den Bildsensor freigeben. Und ab diesem Augenblick wird es dann mangels Lichtzufuhr dunkel im optischen Sucher. Dies erklärt auch den langsamen Autofokus im Live-View Betrieb bei vielen aktuellen Kameras. Nur bei heruntergeklapptem Umlenkspiegel, werden die Autofokussensoren für den Phasenvergleich-AF mit Licht versorgt (siehe unsere ausführliche Seite zum Thema Autofokus).

SLR im Ruhezustand SLR mit Live-View aktiviert

Ist die Kamera mit hochgeklapptem Spiegel im Live-View Modus, muss sie auf den langsameren Kontrast-Autofokus umschalten. Für Höchstleistungen im Bereich der Sportfotografie ist der elektronische Sucher allein deswegen eher weniger prädestiniert. Alternativ gibt es auch Kameras wie die Olympus E-330, bei denen der kontinuierliche Live-View Modus über einen zweiten Bildsensor realisiert wird. In diesem Fall funktioniert Live-View auch bei heruntergeklapptem Spiegel, womit die oben beschriebenen Symptome zu vermeiden sind.

Elektronische Sucher werden heute allein oder in Kombination mit optischen Suchern in allen Geräteklassen von der kompakten Digitalkamera bis hin zum ausgewachsenen SLR-Modell eingesetzt. Recht neu sind hingegen die sogenannten EVIL-Kameras (EVIL = Electronic Viewfinder Interchangeable Lens), mit denen die Industrie eine Alternative zum klassischen SLR-Prinzip etablieren möchte. Hierbei handelt es sich um Kameras mit Wechselobjektiven, die sehr den gängigen Spiegelreflexkameras ähneln. Statt eines aufwändigen, schweren und teuren optischen Suchers kommt hier jedoch ein kompakter elektronischer Sucher zum Einsatz. Das ermöglicht kompakte Kameragehäuse, die im Handling sehr an gängige SLR-Kameras erinnern.

Ähnliches gilt für die mit viel Werbe-Aufwand eingeführten Systemkameras à la Olympus E-P1 oder Ricoh GXR. Mit dem Begriff "Systemkamera" versuchen die Hersteller derzeit teure Kameragehäuse mit Wechselobjektiven denjenigen Kunden schmackhaft zu machen, denen ein SLR-System zu schwer und eine normale Kompaktkamera irgendwie zu popelig ist. Die oben genannte Olympus E-P1 hat im Gehäuse weder einen optischen Sucher noch einen elektronischen Okularsucher integriert, gleiches gilt für die Ricoh. Stattdessen haben die Kameras nur einen elektronischen Sucher mit Bildausgabe auf dem Kameradisplay, sie unterscheiden sich insoweit nicht von jeder beliebigen Billig-Digitalkamera.

Panasonic G1

Zur Systemkamera werden sie dadurch geadelt, dass man die Objektive wechseln kann, außerdem gibt es viel Zubehör wie beispielsweise optische und elektronische Aufstecksucher. Die in der Werbung oft und gerne verwendete Bezeichnung Systemkamera für diese Kameras ist aber irreführend. Systemkameras sind alle Kameras, die in ein Kamerasystem eingebunden und modular erweiterbar sind. Jede Kamera mit Wechselbajonett wie praktisch alle Spiegelreflex- und viele Messsucherkameras ist damit eine Systemkamera.

Die Vorteile elektronischer Sucher liegen auf der Hand: Zum einen braucht die Bildvorschau über das Display wesentlich weniger Platz als ein großer optischer Sucher oder gar ein ausgewachsenes Spiegelreflexsystem. In vielen Kompaktkameras, beispielsweise der Canon G11, gibt es sowohl eine Bildschirmvorschau als auch einen optischen Sucher. Allerdings ist der optische Sucher der Canon G11 derart klein, dass er allenfalls eine Alibifunktion hat. Bei kompakten Digitalkameras ist der elektronische Sucher inzwischen Stand der Technik, in aller Regel erfolgt die Bildausgabe auf das Kameradisplay an der Geräterückseite. Gute optische Sucher sind bei kompakten Digitalkameras kaum noch zu finden.

Zum anderen bietet der elektronische Sucher auch eine Flexibilität, die optische Lösungen nur durch aufwändiges Zubehör beziehungsweise gar nicht erreichen können. Als Beispiel sei hier die Softwarelupe genannt. Bessere Digitalkameras wie beispielsweise die Olympus E-30 können in die Bildvorschau hineinzoomen und einzelne Bildpartien stark vergrößern. Diese elektronische Lupenfunktion ist insbesondere dann eine große Hilfe wenn man mit manueller Fokussierung den Fokus präzise auf einen bestimmten Punkt legen möchte.

Bildschirmlupe

Schwenkbare Monitore erlauben es zudem die Suchervorschau aus jedem beliebigen Blickwinkel zu nutzen, bei Makroaufnahmen kann dies sehr nützlich sein. Zudem erlaubt der elektronische Sucher das Einblenden nahezu beliebiger Bildinformationen, sogar eine Histogrammvorschau ist verfügbar. Auch auf Bildschärfe und Helligkeitsverteilung lassen sich Rückschlüsse ziehen, dies hängt aber stark von der Güte des elektronischen Suchers ab. Drohende Fehlbelichtungen lassen sich schon vor der Aufnahme erkennen, mit optischen Suchern sind entsprechende Funktionen schlicht nicht möglich.

Gesichtserkennung

Die Motiverkennung (der häufigste Einsatzzweck dürfte die Gesichtserkennung sein) ist inzwischen nicht nur bei besseren Digitalkameras, sondern auch bei vielen SLR-Modellen eingebaut. Einblendbare Hilfslinien ermöglichen beim elektronischen Sucher zudem eine bessere Aurichtung der Kamera auf den Horizont, wobei man hier anmerken muss, dass auch eine D-SLR wie die Nikon D70s mit rein optischem Sucher einblendbare Gitterlinien anbietet. Bei der flexiblen Anzeige verschiedener Aufnahmeformate wie 3:2, 4:3 oder Panoramaformate wie 16:9 hat der elektronische Sucher wieder die Nase vorn. Weiterhin sind verschiedene Simulationsmodi möglich, die beispielsweise eine Bildvorschau für längere Verschlusszeiten ermöglichen.

Last but not least, stellt Parallaxenverschiebung dank elektronischem Sucher auch bei Kompaktkameras kein Problem mehr dar. Der elektronische Sucher zeigt genau das Bild an, welches der Bildsensor später aufzeichnen wird. Selbst im extremen Nahbereich hat man damit volle Kontrolle über den Bildausschnitt; wie beim optischen SLR-Sucher bietet der elektronische Sucher damit eine echte TTL-Funktionalität.

Neben den oben geschilderten Vorzügen gibt es auch eine Reihe von Nachteilen elektronischer Sucher. Die ständige Anzeige eines Vorschaubildes erwärmt den Bildsensor. Erwärmung ist generell bei elektronischen Bauteilen nicht wünschenswert und kann speziell bei Bildsensoren zu einem erhöhten Rauschen führen. Wie oben schon beschrieben funktioniert bei den meisten Kameras im Live-View Modus der schnelle Phasenvergleichs-Autofokus nicht, man muss daher mit dem langsameren Kontrast-Autofokus vorliebnehmen, es gibt also Einschränkungen bei der automatischen Scharfstellung.

Bei Fotosituationen mit viel Umgebungslicht ist die Bildvorschau auf dem Kameradisplay oft kaum zu erkennen. Abhelfen kann man der schlecht zu erkennenden Bildvorschau entweder mit einem optischen Sucher oder einem elektronischen Okularsucher. Speziell bei der Sportfotografie ist der Zeitversatz, der bei der Bildvorschau auftreten kann, äußerst abträglich. Während man in einem optischen Sucher das Motiv in Echtzeit verfolgen kann, reagieren elektronische Sucher etwas träger. Nicht zuletzt aus diesem Grund haben hochwertige SLR-Kameras immer noch einen optischen Sucher eingebaut.

Auch die Qualität der Bildschirmdarstellung ist generell eher als mäßig einzustufen. Es handelt sich eben nur um eine Bildschirmanzeige, die selbst bei hoher Pixelzahl an Schärfe, Brillanz und Auflösung einem optischen Sucher - zumindest derzeit noch - unterlegen ist. Das manuelle Fokussieren über das unvergrößerte Sucherbild ist daher mühsamer als bei einem optischen SLR-Sucher. Bei Verwendung der Softwarelupe hat der elektronische Sucher jedoch einen Vorsprung gegenüber dem unvergrößerten optischen SLR-Sucherbild, wobei man hier allerdings fairerweise erwähnen muss, dass es im Fotozubehör auch optische Sucherlupen gibt. Die muss man aber extra kaufen und mitschleppen, während die Softwarelupe schon in der Kamera integriert ist.

Vergleich elektronischer und optischer Sucher

Zu guter Letzt der sicher gravierendste Nachteil elektronischer Sucher in der fotografischen Praxis: Die ständige Live-View Anzeige verbraucht eine erhebliche Strommenge, was der Betriebszeit der Kamera abträglich ist. Die automatische Abschaltung in vielen Kameras mildert dieses Symptom etwas, aber unterm Strich schlägt sich die Arbeit mit Live-View in einem höheren Stromverbrauch wieder. Die Akkulaufzeit verkürzt sich entsprechend.

Alles in allem haben elektronische Sucher das Potenzial irgendwann einmal die aufwändigen SLR-Sucher abzulösen. Ihre erweiterte Funktionalität und kompaktere Konstruktion prädestinieren sie dafür. Bis es soweit ist, müssen aber erst einige Kinderkrankheiten ausgemerzt werden. Derzeit reüssieren elektronische Sucher vor allem im Massenmarkt, bei anspruchsvollen Profifotografen sind sie weniger verbreitet.

Vorteile Nachteile
leicht Fokussierung des unvergrößerten Bildes weniger präzise als im optischen Sucher
kein Geräusch durch Spiegelschlag Anzeige pixelig und weniger brillant als optischer Sucher
geringe Verwacklungsgefahr starke Beanspruchung und ggf. Erhitzung des Sensors durch permanente Live-Vorschau
Motiv- und Gesichtserkennung hoher Energieverbrauch
Sucherbild ist identisch mit aufgenommenen Bild Anzeige nicht in Echtzeit, Versatz bei schnellen Motivbewegungen möglich
integrierte Sucherlupe ermöglicht besonders präzise Fokussierung  
unbeschränkte Erweiterung durch Wechselobjektive möglich  

Der elektronische Sucher bietet eine vielseitige und präzise Bildvorschau die sich auf kleinstem Raum einsetzen lässt. Bei kompakten Digitalkameras hat der elektronische Sucher daher inzwischen den optischen Sucher weitgehend verdrängt. Bei professionellen Kameras dominiert nach wie vor der optische SLR-Sucher, welcher eine schnellere und brilliantere Bildvorschau bietet als sein elektronischen Pendant.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis Grundlagen der Fotografie

High-End Scan-Service